NIKOLA UKIC, AMIR FATTAL, ASTALI/PEIRCE
9 March – 20 April 2013
Die Gruppenausstellung »Riss« – (Disruption) ist eine Kooperation der Hengesbach Gallery mit Frontviews, einem unabhängigen Kuratorium in Berlin. Frontviews entwickelt Ausstellungskonzepte, die sich aktuellen Fragen der Kulturphilosophie widmen. In der Hengesbach Gallery präsentiert Stephan Köhler vom 09. März bis 20. April 2013 drei jüngere Positionen: Nikola Ukic als Künstler der Hengesbach Gallery, den israelischen Künstler Amir Fattal und das Duo Tolia Astali und Dylan Peirce mit georgischen und französischen Wurzeln. Die gezeigten Werke setzen sich über unterschiedliche Rückgriffe mit Vergangenem auseinander. Zeit wird dabei in den Arbeiten nicht mehr rein chronologisch, sondern vielmehr stofflich im Raum erfahrbar. In diesem Sinne verweist »Riss« – (Disruption) als Titel der Ausstellung nicht nur auf den Bruch einer historischen Kontinuität, sondern auch auf Risse im Material und Stillstand im Prozess. Zur Eröffnung am 08. März 2013 um 18 Uhr möchten wir Sie und Ihre Freunde sehr herzlich einladen. Nikola Ukic (*1974 in Rijeka, Kroatien) entwickelt seine Arbeiten mittels dynamischen Materialien, z.B. auf der Basis von Polyurethan. Für den Prozess der Formfindung lotet der Künstler dabei nicht nur verschiedene Aggregatzustände aus, sondern reagiert aktiv auf die nicht zu kontrollierende Ausdehnung des Materials. Einerseits nutzt der Künstler das zufällige Moment bei diesem Vorgang, um Erinnerungen an Formungsstrategien in der Kunst aufzurufen und umzuwenden. Andererseits arbeitet er mit den eigenwilligen Selbstformungskräften des Materials bewusst gegen statische Formen, die er beispielsweise über die Fotografie auf die Oberflächen seiner Objekte anbringt. So verwendet er die Abbildungen von Skulpturen der klassischen Moderne wie u.a. Hans Arp oder Henry Moore, um sie den Dehnungsprozessen seines Materials auszusetzen. Dies kann wiederum wie ein ‚chemischer Jackson Pollock’ auf Vorlagen einwirken. In »Riss« (Disruption) zeigt Nikola Ukic neue Skulpturen sowie Wandarbeiten. Für seine Arbeitsweise entscheidend, ist die Akzeptanz von Prozessen, die den Glauben an die Kraft und Gültigkeit abstrakter Form als eine Utopie der Moderne aushöhlen. Amir Fattal (*1978 in Tel Aviv, Israel) recherchiert für seine Arbeiten historische Ereignisse, die beklemmende gegenläufige Deutungen aufweisen: Der 1933 emigrierte Architekt Erich Mendelsohn war Anfang der vierziger Jahre an Planungen des US-Militärs beteiligt, Prototypen von deutschen Siedlungen zu entwickeln. Dabei sollte die zerstörende Wirkung von amerikanischen Bomben an deutscher Bauweise getestet werden. Fattal überträgt dazu erhaltene Fotografien mittels einer Form von Staubdruck auf Metallplatten. Der nicht informierte Betrachter bringt die Bildinhalte vermutlich mit deutschen Vernichtungslagern in Verbindung. Die beigefügten monochromen Bildtafeln wird er aufs Heute beziehen, wobei sie originär eine Referenz an eine von Mendelsohn patentierte Wandfarbe der 20er Jahre bedeutet. Abgeschriebene Muster kultureller Machtausübung erlangen in diesem Zusammenhang ungeahnte Zeitlichkeit und bekräftigen durch ihre neue gegenwärtige Präsenz ihren fortwährenden Anspruch an Geschichte. Fattals subtile Verwendung von Staub, Farbe und Spiegeleffekten verschiebt kulturelle Muster und Sichtweisen und bricht mit Erinnerungswerten. Vergangenheit rückt in eine andere Nähe und Körperlichkeit als Dokument-Displays und Denkmäler. Der Künstler entlarvt in seinen Werken die Uneindeutigkeit von Mustern kultureller Praktiken. Tolia Astali (*1974 in Tiflis, Georgien) und Dylan Peirce (*1977 in Paris, Frankreich) entwickeln gemeinsam Assemblagen und Installationen. Zusammengesetzt aus der seriellen Ästhetik industrieller Materialien, chemischen Prozessen der Bildfixierung und einem meist anonymen Bilderfundus, zeugen ihre Arbeiten von einer räumlich erfahrbaren synthetischen Wirklichkeit, die fremd und vertraut sein kann. Kennzeichnend an ihrem Werk ist zum einen, dass einst mit Bedeutung aufgeladene Dinge wirken, als seien sie von ihrer ursprünglichen Definition befreit und neu konnotiert. Zum anderen befreien sich kulturelle und zeitliche Variablen wie Sprache, Kultur und Herkunft in der neuen Anordnung zu bloßen Versatzstücken. Je nach Position werden in »Riss« (Disruption) dialektische Denk- und Erinnerungsmuster, historische Brüche oder materialimmanente Prozesse zu multimedialen Arbeiten verdichtet. Das Suchen und Finden einer Gegenwärtigkeit und die damit einhergehende Abgrenzung zum Gestern und seiner komplexeren Neuformierung ist Kern der Ausstellung.
„Betrachten wir die ausgestellten Objekte als losgelöst und dennoch verbunden in ihrer Existenz mit unserem Dasein, so schieben sie sich wie Variationen einer musikalischen Fuge in unser Dasein, verorten sich in den beweglichen Fugen unserer Tektonik des Gesicherten oder sind einfach Risse in unserer Realität.“ (Stephan Köhler)