Alex Hanimann
September 1 – October 20, 2012
Wenn die diesjährige Documenta-Chefin Carolyn Christov-Bakargiev das anthropozentrische Weltbild näher in Augenschein nimmt, so schlägt sie damit ein Thema an, mit dem sich auch der Schweizer Künstler Alex Hanimann (*1955) seit Längerem beschäftigt. Die Hengesbach Gallery eröffnet am 31.08.12 eine Einzelausstellung und zeigt bis zum 20. Oktober 2012 die Videoarbeit „Shifting“ (2004) neben neu entstandenen, großformatigen Zeichnungen. Im Video „Shifting“ folgen wir einem an der Leine geführten Pitbull durch eine nächtliche Pariser Straße. Der Kampfhund, mit einem Maulkorb ausgestattet, ist zunächst von seinem nächtlichen Verfolger, einer Kamera, provoziert. Das Tier fühlt sich bedroht und reagiert gereizt. Die gespenstisch leuchtenden Augen des Hundes kommen bedrohlich nahe. Da aber das Zähnefletschen, Knurren und Bellen keine Wirkung zeigen, schlägt die Aggression des Hundes zunehmend in Irritation um. Die immer näher heranrückende Kamera lähmt das Tier, schüchtert es ein. Nur noch zaghaft bewegt sich der Hund vorwärts. Der Mann muss ihn immer wieder an der Leine weiterziehen. Schließlich nimmt er den Hund auf die Arme und trägt ihn wie ein schutzbedürftiges Kind über die Straße nach Hause. Das Video zeigt beispielhaft, wie zwischen Mensch und Tier bzw. zwischen Kameraauge und Hund langsam eine Art Kommunikation aufgebaut wird und dabei Stimmungen kippen, Gefühle sich wandeln, Handlungsmuster beeinflusst werden. Alex Hanimann baut Versuchsanordnungen im Sinne eines Forschers auf: „Die Basis meiner Arbeit kann durchaus dokumentarisch verstanden werden. Aber eigentlich interessiert mich das Stereotype.“ Hanimann untersucht mit semiotischen Mitteln Versatzstücke der Realität. Bestimmte Erscheinungsformen, Zustände und Handlungen werden mit unterschiedlichen medialen Mitteln fokussiert und durch Manipulation, Isolation und Transformation deren zu Grunde liegende Mechanismen und prototypische Formen herausgearbeitet. Sein Werk fragt nach dem Zustande¬kommen von Erkenntnis, die notwendiger Weise an festgelegte Begriffe geknüpft ist. Und es stellt sich natürlich die Frage, in wieweit wir überhaupt in der Lage sind, bestimmte Meinungen zu korrigieren, Vorurteile zu revidieren. Setzen wir nicht so Vieles als gegeben voraus? Bedingen nicht Wörter und Begriffe, die wir einmal definiert haben, massiv unser Denken und die Wahrnehmung der Dinge, betrachten wir sie nicht als etwas Statisches und Verlässliches? Diese Ambivalenz zwischen der Sicherheit, die vorgefasste Muster bieten und der Einengung und Determinierung, die sie auf der anderen Seite bedeuten, lotet Hanimann aus. Die Rasterstrukturen, die in Hanimanns Werk immer wieder auftauchen, werden zur sinnbildlichen Visualisierung dieser strukturellen Verstrickungen. Maschinell erzeugte Raster stehen in Hanimanns Werk händischen Rasterzeichnungen gegenüber, deren Linien voneinander abweichen, sich annähern und abstoßen und ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten offenbaren: Damit führt Hanimann eine Mustervorgabe ad absurdum, indem er vorführt, wie subjektiv gebunden Systeme sein können – Wahrheit ist eine Frage der Perspektive und der Relation.