INVERTIGO

Markus Willeke

3 – 28 February 2014

Eindringlich und sofort lesbar: Das sind die Bilder von Markus Willeke. Malerei und Motiv sind in ihnen in gleicher Weise gegenwärtig, die Formate sind raumgreifend und der Gestus ungestüm. Durch die Formatgrößen und die Einfachheit der Motive erinnern Willekes Arbeiten an die amerikanische Pop Art, in ihrer Impulsivität und Fluidität sind sie aber eher dem Graffiti und der Street Art nahe. Das Bildgeschehen ist bei Willeke wie auf einen Schlag da und nicht etwa Ausgangspunkt von Erzählungen. Die schnelle und kraftvolle Malweise geben den Bildern eine einzigartige Gewalt und Präsenz. Sie erhalten dadurch eine regelrechte Bildmacht, gewachsen aus der Brillanz der Farbkontraste und der Souveränität der Pinselführung. Wie aus einer gewaltigen Woge strömend, bedeckt eine Gischt von Farbmaterie die Leinwand. So entsteht der Eindruck, als ob sich Inhalte zwanglos aus der Malerei ergeben, spontan erfunden während des Aktes des Malens. Einerseits kommt derart eine Magie und Kraft, andererseits eine Flüchtigkeit und Ungreifbarkeit der Bilder zustande. Die Direktheit des Farbauftrags und das sichere, schnelle Pinselführen lassen den Eindruck entstehen, dass Inhalte die Leinwand treffen und sofort wieder verschwinden. Diese Wirkung wird vor allem in Willekes jüngsten Bildmotiven deutlich, die an Fingermalereien von Kindern auf nassen Scheiben referieren: Sobald Sonne und Wärme die Oberfläche trifft, lösen sich die Finger-Malereien auf. Willekes Bilder atmen ebendiese Intensität des Augenblicks. Die Bilder sind daher auch eine Feier des Lichts, welches in seinen schimmernden Flächen und reflektierenden Tropfen von Schönheit und Veränderlichkeit erzählt. Willekes neueste Arbeiten deuten auf widerspruchsvolle Erfahrungen mit Situationen hin, in denen sich zwei verschiedene Seiten einer Sache zeigen: eine intakte Jalousie öffnet den Innenraum für die Außenwelt und schützt geschlossen vor dem Erblicken allzu privater Ereignisse. Ist jedoch diese Barriere zerstört, die scharfen Lamellen brutal verbogen und zerrissen, offenbart sie plötzlich in ihrer Gewalttätigkeit unsere Erwartung an die Unversehrtheit privater Intimräume im sozialen Miteinander als trügerisch. Aus einer Wasseroberfläche taucht kurz ein schöner Frauenkopf in das Freie des gemeinsamen Landschaftsraumes auf. Der Körper der Frau bleibt im schillernden Dunkel des Wassers verborgen. Wird er dort verschwunden bleiben, wird die Frau davon treiben, unseren Blicken für immer entzogen? Auf eine perlig nasse Fläche hat sich – zunächst kraftvoll – eine unendliche Schlaufe geschrieben. Langsam aber beginnt sie sich aufzulösen. Hat sie ihren eigenen Faden verloren und sich in der Vielfalt der eigenen Wendungen verheddert? Eine Riesenachterbahn scheint greifbar nah. In dem Drive ihrer forttreibenden Geschwindigkeit scheint sie sich zugleich in den leuchtenden Horizont zu entwinden. Willekes Bilder hinterlassen ein Unbehagen darüber, was hinter Oberflächen und Bewegungen lauern mag. Sie scheinen auf als unkontrollierbare oder unfassbare Übergänge von Flüchtigkeiten, deren Gewichte ähnlich wie bei der Spitze eines Eisbergs nicht einschätzbar sind. Zugleich spielen Willekes Bilder auf die Operationsweise von Bildern in unserer medialen Welt an. Leicht und unkontrolliert passieren solche Bilder die Schwelle unseres Bewusstseins, schleichen sich in unser Bildgedächtnis ein, in welchem harmlose, friedliche Bilder neben schrecklichen liegen. Dort lagern sie wie stille Schläfer, um in späteren Momenten in unvorhersehbaren assoziativen Kopplungen auf einmal unerklärliche Ängste zu aktivieren, die in ihrer Bedrohlichkeit nicht weiter zu greifen sind.

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