Lorcan O´Byrne
September 4 – October 12, 2018
Lorcan O’Byrne startete seine malerische Karriere mit Porträts von Freunden und Verwandten. Dass er sie mit äußerster Nüchternheit, Schärfe und Distanz darstellt, würde man nicht erwarten. Seine Farbpalette in dieser Anfangsphase ist kühl, tendiert zu leicht gebrochenen Farben, vor allem im Hintergrund. Man spürt, dass er seine Ölfarbe mit Terpentin verdünnt und der Farbe dadurch etwas Abgetöntes, reduziert Strahlendes verleiht, um Zwischenlagen und –töne formulieren zu können. Das Leben ist selten strahlend. In einigen Bildern gibt es die Andeutung von Räumen oder Mobiliar, aber diese Räume wirken aseptisch, wie Untersuchungsräume, auf alles Erzählerische, Persönliche wird verzichtet. Der malerische Duktus ist sparsam, aufs Nötigste reduziert. O’Byrne nimmt mit seinem Pinsel keine Gestaltmerkmale, seine Pinselführung lebt aus der Eigenwirklichkeit der Malerei, so wie sie in einer selbstbewussten Malerei seit der Moderne angebracht ist. Man spürt O’Byrnes intime Verbundenheit und Leidenschaft für das malerische Material.
In der Regel befinden sich die Personen im direkten Gegenüber. O’Byrne wählt die aus dem Film vertraute Einstellung des Close-up. Zum Teil sind die abgebildeten Köpfe angeschnitten, was den Eindruck verstärkt, dass die Person in diesem Augenblick in unser Gesichtsfeld tritt. Die Augen fixieren uns streng, unerbittlich, mitunter sogar stechend. Auf den Gesichtern erscheinen sparsame Lichtflecken, um ihre Lebendigkeit und Gegenwärtigkeit in einem abstrakten Umfeld, ihre physische Realität zu erhöhen. Die Gesichtsmerkmale sind mit schnellen, sicheren Pinselstrichen markiert. Es gibt keine Schnörkel oder Ausschmückungen. Es bleibt dem Betrachter überlassen, diese aufs Wesentliche konzentrierten Angaben für sich anschaulich auszuwerten. O’Byrne verschönert nichts, modelliert keinen weicheren oder wärmeren Akzente hinzu. Er geht in einer ähnlichen Unerbittlichkeit vor wie seine großen literarischen und bildnerischen Landsleute (Joyce, Beckett, Bacon): der moderne Mensch reduziert auf seine bloße Existenz im Labor des forschenden Blickes.
O’Byrne parzelliert den Menschen in Teile: Gesichtsschnitt, Kopf, Haare, Körper, Glieder, Kleidungsstücke in ihren Schichtungen und verschränkt diese miteinander. Die Farbe führt hierbei Regie. Sie teilt den Bestandteilen jeweils ein visuelles Volumen zu, mittels harter, sich gegeneinander absetzender Schnitte. Diese diversen Schnitte bzw. Schnittkonturen der Körperstücke gegeneinander tragen neben dem Ausdruck der Gesichter zu der Schärfe seiner Bilder bei. Sie bewirken, dass die einzelnen Farbvolumina wie eigenständige Bildakteure gegeneinander stehen. Die Intensität der Farbe, ihr Flächenvolumen und ihre diversen Texturen bestimmen den inneren Dialog der Bildfläche. Die Farbvolumen stoßen passgenau gegeneinander. Widersprüchlichkeiten und Gegensätzlichkeiten von Temperamenten einer Person können so in der jeweiligen dialogischen Behandlung ihrer farblichen Körperstücke zum Ausdruck gebracht werden.
Das Gespräch der Farbvolumen und Farbtexturen als Gespräch über menschliche Dispositionen und Stimmungslatenzen kann auch auf einer anderen Ebene weitergeführt werden: als ein Gespräch der Dinge um uns herum und über uns. Denn die Dinge in unserem Umfeld sind uns zu Diensten und lagern um uns, sie scheinen unsere Befindlichkeiten aufzunehmen oder uns Widerstand zu bieten.
Lorcan O’Byrne hat sich nach seinen Porträts konsequent dem Stillleben hingegeben. Er bevorzugt das Ding des einfachen Volumens, welches sich nach innen wendet und schweigt, oder welches aus sich herausgeht und spricht. Es sind Container oder Behälter zur Aufbewahrung, Schränke, Kühlbehälter oder Behälter wie z. B: Wasserkocher oder oder auch Lautsprecher oder Musikapparate.
Die Dinge in seinen Stillleben sind nicht zentriert und nicht linear aufgereiht. Es macht sich stattdessen das Suchen nach einem Zentrum oder Schwerpunkt, einem balanciertem Ausgleich bemerkbar, dessen Gelingen in Abrede gestellt wird. Der Betrachter mag sich mit der Einschätzung zufrieden geben, dass hier nur vorübergehende Zustände des Lebensumfeldes aufgewiesen werden, die noch einer endgültigen Lösung oder Ordnung harren. Aber gibt es diese? Zeigen Lorcan O’Byrnes Bildwelten nicht stattdessen unser Leben in einer latenten Unruhe, in einer beständigen unterschwelligen Irritation und einer zwangsläufigen Verschobenheit? O’Byrnes Dinge sind zwar Zeugnisse von Lebenszusammenhängen, diese sind aber nicht näher als schlüssige Szenerie oder Handlungszusammenhang ausgeführt. Mitunter agiert die Malerei nur skizzenhaft, belässt es bei Andeutungen oder setzt ein leeres Volumen, um auch hier das Wohnungsumfeld der dinglichen Kräfte und Einwirkungen aufeinander einer Irritation auszusetzen. O’Byrnes hat die Farbe fast ganz zurückgenommen. Stattdessen sind die Lichtkontraste, das Gegeneinander der Pole Schwarz und Weiß verstärkt. Man könnte vermuten, dass es zwischen den Polen zu Entladungsspannungen kommt, dass Gewichtigkeit oder Massigkeit mit Leichtigkeit ausgeglichen wird, dass die Pole Stimmungsumschläge anzeigen. Dies ist aber nicht der Fall. Die Pole scheinen eher nebeneinander gelagerte Schichten zu sein, die durch zwischen ihnen platzierte farbliche Mittelwerte auf Abstand gehalten werden. In ihrer farbzurückgenommenen Sprödigkeit stehen diese Schichtungen unverrückt da als stumme Zeugen unseres Widerscheins, unserer Widersprüche. Sie gehen uns nicht aus dem Weg und weichen uns auch nicht von der Seite.
Seine geschichteten Stillleben hat O’Byrne mit der Zeit immer mehr vereinfacht, auf das Zentralmotiv des Behälters oder Containers mit seiner einfachen Polarität von Innen und Außen reduziert. Während sich die Anzahl der dargestellten Dinge reduziert hat, ist aber die Farbe in voller Stärke auf die Leinwand zurückgekehrt. Diese Bilder verlocken mit ihrer Farbglut, den Modellierungen des anliegenden Farbschattens, dem echten Schattenspiel im Umfeld, dem geheimnisvollen nicht einsehbaren Inneren und den diagonalen Schräglagen. Auch hier bleibt die Latenz von Verschiebungslagen bestehen.
In den darauffolgenden Bildserien hat sich O’Byrne ganz von figurativen Vorbildern gelöst und konzentriert sich auf den von Figuration nicht verstellten direkten Dialog der Farbvolumina. Wie sprechen sie miteinander, beeinflussen die gegenseitige Wahrnehmung, ziehen den Blick an und verteilen die Blickorientierungen über das Bildfeld mit unterschiedlichen Haftungen an den verschiedenen Texturen und Helligkeiten?
Anfangs wählte O’Byrne ovale Farbvolumen, welche im Gegensatz zum Kreis eine orientierte Richtung haben, aber gleichzeitig eine Balance von Zentrum und Peripherie ausstrahlen. Diese Bubbles, wie er sie nennt, sind nicht alle gleich groß, sondern suchen im malerischen Vorgehen ihre Größe in Abstimmung zu den anderen. Das Bildfeld ist auch nicht gleichmäßig von den Bubbles durchsetzt. O’Byrne versucht, die Gewichtung jeweils im Malprozess zu finden. Wenn noch die Malspuren eines vollständig übermalten Bubbles in Ansätzen sichtbar bleiben, dann wird offensichtlich, dass das Kreisen der Malerei um das Finden ihrer je eigenen Richtigkeit für O’Byrne das zentrale Anliegen ist. In allerjüngster Zeit wurde aus den Bubbles unterschiedlich intensive Farbwischungen von sich ausgrenzenden Feldstücken. Dieser Malerei geht es nicht um Darstellung einer vorab fixierten Bildkomposition, sondern um das Finden und Offenlegen von Maßstäben, die den Prozess des Suchens von Lebensbalancen immer wieder begleiten.