Dirk Eicken
27 April – 22 June 2013
Die Menschen in Dirk Eickens Bilder sind uns weder vertraut noch fremd. Seine gemalten Gesichter nehmen direkten Blickkontakt auf, bleiben als Person aber unscharf. Entgegen ihrer fotografischen Vorlage grenzen sie sich gegen ihren Umraum ab, um das Fertige der Fotografie infrage zu stellen. Zentral für Eickens Malereien ist dabei die sich ergebende Schwebe vom bildlich Anwesenden und bildlich Abwesenden: Während die Fotografie jemanden als fertiges Gegenüber eines bestimmten Augenblicks festhält, kann die Malerei stattdessen ein Porträt in differierenden Schichten des Ausdrucks entstehen lassen. Eickens Bilder beschäftigen sich in diesem Sinne explizit mit der Frage der Struktur medial erzeugter Distanzen. Mit der Frage, wie Fotografie heute unser Verhältnis zur Welt prägt: Indem sie Fertiges zeigt und uns von einem entfaltenden Zugang abschneidet. Mit „da zwischen“ präsentiert die Hengesbach Gallery vom 27. April bis 22. Juni 2013 neue Ergebnisse dieses Erforschens von bildlicher Präsenz. Es sind nur wenige Informationen, die Dirk Eicken seinen fotografischen Vorlagen entnehmen kann: Mal ist es eine Dateibezeichnung, mal ist es ein Name, ein Produkt oder eine Firma. Wie das Lächeln bei „Unbekannt1.jpg“ (2012) zustande kam, wissen wir nicht. Die von Eicken benutzten Fotografien werden für Firmenprofile von Fairtrade-Kooperativen verwendet, die über die Portraitaufnahmen eine Beziehung zwischen Konsument und Produzent herstellen möchten. Eicken spürt dem Phänomen nach, wie fotografierte Fremde über ein Bild in eine Beziehung zu uns treten können. Hierbei liegt es dem Künstler fern, eine emotionale Beziehung zwischen dem Betrachter und den abgebildeten Personen aufzubauen. Vielmehr sind die Arbeiten malerische Versuchsanordnungen, die die Ungreifbarkeit einer intendierten Mitmenschlichkeit verhandeln. Die Unschärfe der gemalten Gesichter macht ein schnelles Erfassen wie bei den fotografischen Vorlagen unmöglich. Der gesuchte bildliche Halt ergibt sich nach und nach über den sorgfältig gestalteten Blickkontakt und über die farblich besonders akzentuierte Einpassung des Porträtierten in sein Lebensumfeld. Nicht mittels erzählerischer Details, sondern mittels abstrakter farblicher Kontraste schafft Eicken eine die Aufmerksamkeit haltende Wahrnehmungssituation. Zu jedem seiner Einzelporträts existiert zudem ein jeweils gleichgroßes abstraktes Pendant: Diese enthalten zwar auch die farblichen Lasurschichten des Ausgangsbildes, aber sind nicht mehr figurativ. Die porträtierte Person kann dem Bild hier nur noch als Erinnerung unterstellt werden, obwohl die malerischen Farben die gleichen wie im Ausgangsbild sind. In Gegenüber von Porträt und abstraktem Pendant stellen sich Fragen der Substanz von Bildlichkeit, von Erkennbarkeit, von Erinnerung, von wahrnehmender Besinnung. Jüngsten Datums sind die großformatigen Gruppenbilder Eickens. Bei ihnen hat der Künstler zu einer Positiv-Vorlage ein malerisches Negativ geschaffen, indem er die Helligkeiten und Farben umgepolt hat. Er gestaltet damit das Paradox, dass das Negativ gegenüber dem Positiv konkreter ist und ein Licht auf das abstraktere Positiv-Bild wirft. Anwesenheit und Abwesenheit setzt sich in einen dialogischen Bezug zueinander. Eicken gelingt es auf diese Weise, der Anwesenheit der Personen im Negativ etwas Geisterhaftes zu geben: Blick besteht nicht mehr aus dunklen Pupillen, sondern wird von hellen Lichtflecken getragen. Dirk Eicken (*1959) lebt und arbeitet in Berlin. Zeitgleich zu dieser Ausstellung zeigt Hengesbach Gallery die Ausstellung „BILDFROST (frozenness)“ mit Arbeiten von Ola Billgren, Mihai Grecu & Thibault Gleize, Thomas Huber, Joseph Marioni, Walter Obholzer and Markus Willeke.