Björn Siebert
February 11 – April 24, 2019
Der Titel der Ausstellung ist angelehnt an den Titel des jüngsten Album des kanadischen Rock Duos Japandroids. Worin besteht der ‚wilde Pulsschlag’ des Lebens Jugendlicher? Siebert versucht sich dem Thema in seinen fotografischen Bildern jugendlicher Selbstinszenierungen anzunähern. Diese finden im Schutz der Dunkelheit statt, von ihnen sind nur Bilder übriggeblieben, die irgendwo im Internet auftauchen und in ihrer Aussagekraft für Nicht-Eingeweihte oder Nicht-Beteiligte ambivalent sind. Man kann nicht erschließen, was eigentlich stattgefunden hat.
Die Bilder sind gerade keine planmäßig eingesetzten Stills, die das jeweilige Ereignis auf seinem Höhe- Wende- oder Zielpunkt zeigen, sondern sind zwischendurch entstanden. Fast alle der hierbei entstehenden Bilder von Jugendlichen atmen deutlich die Unzulänglichkeit, das stattgefundene Ereignis auch nur annähernd adäquat zu beschreiben. Die Wirklichkeit scheint in ihrer Wirkmächtigkeit doch stärker als die Bilder von ihr. Mitunter aber kann es passieren, dass die Bilder zwar nicht das Ereignis genau darstellen, dass sie aber den Atem wiedergeben können, aus dem diese Ereignisse entstehen.
Der erste künstlerische Impuls von Björn Siebert besteht darin, solche Bilder unter den Millionen von Bildern im Netz zu finden. Im nächster Schritt reinszeniert er den bildlichen Moment des urprünglichen Ereignisses.
Auf den ersten Blick scheint es unsinnig, ein unzulängliches Bild zu wiederholen und dies darüber hinaus mit dem Mittel der Fotografie zu tun. Denn die mechanische Verfahrensweise der Fotografie als Dokumentation eines bestimmten Ortes zu einer bestimmten Zeit wird darin völlig auf den Kopf gestellt. Nicht nur muss der ursprüngliche Ort des Geschehens nachgeschaffen werden, sondern auch die beteiligten Akteure müssen entsprechend der Vorlage gecastet und es muss ein Ereignis nachgestellt werden, welches aus der vorhandenen Quelle des Bildes gar nicht verständlich ist. Alles scheint umgedreht. Richtete sich das ursprüngliche Foto nach der Wirklichkeit, muss jetzt eine Wirklichkeit erzeugt werden, die sich nach dem Foto richtet. Wofür soll dies gut sein? Man könnte antworten, nur wenn man etwas erschaffen hat, versteht man erst, um was es sich handelt. Zwar macht der äußerliche Nachbau einer Sache sie nicht von vornherein verständlich, er kann aber in der Kontrolle des Geschehens etwas verdichten, so dass gewisse Züge oder Aspekte seines Wesen deutlicher werden. Geht es folglich darum, ein ursprünglich unzulängliches Foto so nachzustellen, dass es seine Unzulänglichkeiten verliert, dass das ursprüngliche Ereignis an seinem entscheidenden Punkt gezeigt wird? An dieser Stelle kann man das Verhältnis von Wirklichkeit und Abbild genauer beobachten: Ein Bild ist nur dann ein künstlerisch wertvolles Bild, wenn es ihm gelingt, eine Wirklichkeit zu zeigen, die nur über und durch das Bild seine Wirksamkeit entfaltet. Siebert versucht in seinen Remakes weder Bilder zu verdoppeln, noch Wirklichkeit nachzubauen, sondern durch die Bilder Wirklichkeit unmittelbar sprechen zu lassen. Ihn interessiert nicht die Illustration oder Verdeutlichung von Selbstinszenierungsweisen heutiger Jugendlicher. Er möchte stattdessen das Bild auf eine Weise sprechen lassen, dass die Inszenierungen etwas von ihren inneren Impulsen freigeben. Das Geheimnisvolle seiner Nachtbilder ist nicht das fast völlige Verschwinden einer Umgebungswirklichkeit, ist auch nicht, dass die Jugendlichen wie aus dem Nichts aufzutauchen scheinen, sondern dass sich in der Unverständlichkeit des zugrundeliegenden Ereignisses etwas von der freien Handlungsenergie von Jugendlichkeit äußert. Obwohl wir die bildlichen Ereignisse nicht genau verstehen, weil wir die Regeln des Handelns aus dem dargestellten Moment nicht ablesen können, erspüren wir doch etwas von den freiheitlichen Gestaltungsmöglichkeiten von Jugendlichen und werden damit selber an den Beginn unseres Erwachsenseins als Selbstgestaltenkönnens unseres Verhaltens und Handelns geführt. Das Bild muss den Moment treffen, in welchem uns klar wird, dass wir nicht von dem dargestellten Geschehen getrennt, sondern mit ihm in unseren menschlichen Verhaltensmöglichkeiten auf eine geheimnisvolle Weise verbunden und von ihm ergriffen werden können.
Für dieses Ergriffenwerdenkönnen ist aber entscheidend, dass es sich bei dem Geschehen nicht um ein allgemeines Geschehen handelt und dass die Sicht auf dieses Geschehen keine neutral objektive ist. Für die Siebertschen Bilder ist entscheidend die subjektive Sicht oder der subjektive Zugang zu dem Ereignis, dass sich in einer persönlichen Weise zeigt, so dass wir zu ihm eine private Beziehung aufnehmen können. Gerade dafür ist entscheidend, dass alle Details des Ereignisses auf eine persönliche Weise zu uns sprechen können, dass wir von diesen Details eingenommen werden können. Jede Nuance eines Farbtons, jedes Accessoire der Szenerie sollte dieses Gespräch anfangen können, nicht aufgrund einer besonderen Auffälligkeit, sondern aufgrund seiner sprechenden Fähigkeit im Gesamtzusammenhang.