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Nikola Ukić

September 8 – November 3, 2019

Die Skulptur im 20. Jahrhundert hat sich vom menschlichen oder tierischen Körper gelöst, sie greift in unseren Umraum aus und hat sich ein geometrisches oder abstraktes Formenrepertoire zugelegt. Als neue Maßstäblichkeit dienen entweder architektonische Elemente und Strukturen oder sie besteht in einer Erschließung und Markierung des offenen Raumes. Trotz scheinbar abstrakter Formen ist aber ein Teil der künstlerischen Skulpturproduktion doch noch dem menschlichen Körper auf eine entfernte Weise verhaftet geblieben. So auch bei Nikola Ukic. Anders aber als bei den meisten seiner Kollegen ist die menschliche Maßstäblichkeit nicht Zielpunkt seines Wirkens, sondern der Ausgangspunkt. Bei ihm sind die beiden grundlegenden skulpturalen Komponenten Material und Form nicht voneinander getrennt, sondern ursprünglich und untrennbar miteinander verbunden. Ukic benutzt kein vorgegebenes Material, welches er in eine Form bringt, sondern er erzeugt in seinem künstlerischen Prozess überhaupt erst das Material. Er verwendet vor allem Polyurethan, einen Kunststoff, der erst durch Mischen von verschiedenen Komponenten in einer chemischen Reaktion unter Freisetzung von Wärme und Dämpfen sich bildet, sich ausdehnt und dann verfestigt. In diesen Prozessen verleiht er ihm sogleich seine Form, die aber keine festgelegte sein kann, weil es sich unaufhörlich stark ausdehnt und er insofern mit seiner körperlichen Tätigkeit der organisierend eingreifende Bezugspunkt ist. Dieser Entstehungsprozess ist dem Material auch nach seiner Verfestigung anzusehen.
Analoges kann man von Vulkangestein sagen, mit welchem Ukics Werke verglichen werden können. So ruft seine sechsteilige Arbeit „Große Konjunktion“ den Eindruck hervor, dass ihre blasige Oberflächenhaut sich noch im Modus der energetischen Ausdehnung befindet, bei der Erdgestein und Erde aus einem Krater mitgerissen wurde.
Die Generierung des eigenen künstlerischen Materials ist der eine richtungsweisende Aspekt von Ukics Arbeiten. Der andere ist die Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass sich in den letzten Jahrzehnten unsere Körperwahrnehmung und -erfahrung verändert hat. Nicht mehr die tastende Seherfahrung, die ein Objekt zu umkreisen sucht, um von allen Seiten seiner Ausdehnung nachzuspüren, ist das Grundparadigma unserer Objekterfahrung, sondern die Deutung von Oberflächen mit ihrem Reflexlicht steht im Vordergrund. Objekte werden uns heute durch mediale flache Abbildungen gegeben. In den letzten Jahren ist es für Ukic zu einem Anliegen geworden, seine körperlich ausgeprägten, ein zu tastendes Volumen einfordernden Skulpturen mit der ganz anderen heutigen Körpererfahrung zu konfrontieren, die sich an Oberflächen orientiert. Ukic transferiert Abbildungen auf die Oberfläche seiner Skulpturen, wobei die Abbildung sich mitunter bedeutungsmäßig oder sogar entstehungsmäßig auf die eigene Arbeit beziehen kann. Material zu generieren, setzt viel technische Expertise voraus, digital Bilder zu generieren ist inzwischen sehr einfach geworden. In seinen Wandarbeiten versucht Ukic die Generierungsstrategien deutlich zu machen, indem er sie selber zum Thema der Bilder erhebt. Ausgangspunkt kann die Abbildung eines einfachen Objektes wie ein Einwürfel, ein Stück Meteoritengesteins bzw. eines Wassertropfens oder der Streifen einer spiegelnden Oberfläche sein. Durch stufenweises Anwenden von digitalen Bildveränderungseingriffen wie Abtönen von Helligkeiten und Kontrasten,  Verschiebung von Schatten, Abblenden von Farben, Verdoppelungen oder Übereinanderschieben desselben Bildes kann das Bild seine eigene Identität verlieren. Stattdessen können Faktoren wie ein schimmerndes Licht, auflösende Konturen und irreale Farbverläufe an Bedeutung gewinnen, die dem Bild vor allem in den Helligkeitswerten etwas Magisch-Abstraktes verleihen können. Zugleich wird aber deutlich, dass diese Verfahren eine Physis haben können, wenn diese Eingriffe sich so in den Druckprozess umsetzen lassen, dass entsprechend eine Vielzahl von Druckschichten erforderlich wird. Eine solche Vielzahl von Druckvorgängen, wenn sie auch nicht direkt im einzelnen sichtbar werden, machen im Gesamtresultat eine Wahrnehmbarkeit der Realität der Farbpigment bemerkbar. Dabei entsteht das paradoxe Ergebnis, dass je intensiver die Überlagerung der Pigmentschichten, desto ungeklärter die Deutbarkeit des Bildes werden kann. Damit ist Ukics Vorgehensweise auch in der Bildgenerierung nicht unähnlich der in der Erzeugung seiner Skulpturen: Dass nur ein reales Volumen, auch wenn es noch so fein ist, eine glaubhafte suggestive körperliche Kraft auf uns ausüben kann. Bei seiner jüngsten Arbeit, der „großen Konjunktion“ lässt er beide Generierungsprozesse aufeinandertreffen. Die jeweiligen Körper der Skulptur scheinen aus rohem Erdmaterial zu bestehen, welches sich in der schrägen Schauseite dazu kontrastierend eine glatte schwarze blasige Oberfläche von hohem ästhetischem Reiz gegeben hat. Dem Volumen vorgelagert ist ein Visier aus einer dünnen durchsichtigen Membranschicht, welches ganz andersartige technisch geometrisch linienhafte Einschlüsse aufweist als der PU-Körper. Diesem spröden, in seiner Materialität anorganischen, in seiner Formrundung aber organischen Flachkörper ist eine doppelte Linienmarkierung von sich überlagernden schwarzen Streifen oben und unten eingeschrieben, die in ihrer Farbe sich der Schauseite des PU-Körpers annähern, in ihrer rigiden linearen Streifigkeit aber von ihm abstehen. Der Zwischenraum zwischen den Streifen wird automatisch als Gesichtsfeld wahrgenommen und damit der PU Körper mit seiner Kegelstumpf-Form als liegender Kopf, der sich aus dem Boden erhebt.

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