Lorcan O´Byrne
August 24 – October 22, 2021
Entlang gleiten, mit dem Pinsel eine Wegstrecke vor sich haben, soweit die Farbe reicht, dann abtauchen und weiter machen und wieder einen Neuanfang starten, ohne dass man den Ausklang merkt, stattdessen den Fokus immer wieder auf den Anfang und das Weiter stellen und bei der wachsenden Fülle sich immer mehr in die weite Fläche wagen und dabei sich in die Quere kommen und überkreuzen und durchstreichen. Die Frage wird sich stellen, wie können sich die ganzen Wege, die immer unter- oder abgebrochen wurden, zu einem Ganzen zusammenschließen? Der Pinsel hat bei seinen Wegen nicht nur eine Farbe, sondern mehrere mitgenommen, die sich zu einer changierenden Pinselspur vermischen und in der Überlagerung zu Gegensätzen werden. Indem der Pinsel ausgreift, Stück für Stück die Flächen des Bildraums erkundet, erobert er in O’Byrnes Bildern kein fremdes Territorium. Die einzelnen Wege fügen sich nämlich wie selbstverständlich, sanft aneinander. Jede Spur ist zwar etwas Eigenes, wird aber nicht als Besonderes betont, jede Spur befragt sich in der Lebendigkeit des sich fortzeugenden Lebens. Wenn die Spuren kurz sind, werden Zeichen oder Markierungen gesetzt. Zusammen ergibt sich ein Alphabet unterschiedlicher Bewegungsformen und impulsiver Dynamiken. Anders als bei der Sprache befinden sich diese Formationen nicht in einem linearen Nebeneinander im Sinne des Vor und des Dahinter. Der lesbare Raum beinhaltet auch das Darüber und Darunter, das von unten Hervorscheinende und das Überdeckende. Keines dieser Bewegungszeichen steht für sich, dazwischen liegende Pinselspuren verbinden, Rinnsale von Farbe können einen Farbgrund bilden. Die Pinselschwünge können auch die ganze Bildfläche einnehmen. Ihre Schnelligkeit und Geschwindigkeit hängt davon ab, wie die vorhandene Feuchtigkeit der Landwand den feuchten Pinsel noch weicher gleiten lässt. O’Byrne ist ein Meister in der Komposition sich unterscheidender Fluiditäten. Wie Lianen im Urwald können sie sich zu einem Gesamtgebilde verschlingen. Ihre Dichtigkeit lässt uns das eine Mal den die ganze Fläche erobernden rhythmischen Tanz von Drehungen und Wendungen als ganzen erleben, das andere Mal nimmt das In- und Übereinander so überhand, dass unser Auge nur noch Stücke von Tanzspuren aufgreifen kann. Mitunter kann es sein, dass ein vollständig gemaltes Bild dem prüfenden Blick nicht standhält und die Pinselspuren mit Weiß übermalt werden, O’Byrne dann in die feuchte Farbe mit einer neuen Farbe hineingeht und dabei Spuren der alten Untermalung durch Zerstören der weißen Überdeckung wieder freilegt. Die trockenen, alten Untermalungen und die sich mit dem Weiß der Übermalung mischende neue Farbspur kontrastieren in der unterschiedlichen Härte der Kontur und des Farbtons. Da O’Byrne für diese Malweise viel Farbe benötigt, arbeitet er mit einem Farbcontainer in der anderen Hand, aus dem er in nächster Nähe zur Leinwand sofort wieder neue Farbe entnehmen kann. In diesem schnellen, den Pinsel begleitenden Tun kann der Farbcontainer auch mit der Leinwand in Berührung kommen und dort Wischspuren erzeugen, die dem Pinsel ein fremdes, andersartiges Element entgegensetzen. Dies kann sich zu einer Gegenbewegung gegen das Pinselmalen ausweiten, so dass man von einem Malen mit zwei Armen sprechen kann, die zwei völlig differente Spuren hinterlassen. In O’Byrnes Malerei können die Pinselstriche zu Gewächsen werden und die Vision eines zusammenhängenden organischen Gebildes entstehen lassen, welches sich vielgliedrig bewegt. Dass solche Suggestionen auftauchen, belegt, wie intim er mit seinem Material nach Jahrzehnten intensiven Umgangs verbunden ist. O’Byrnes Pinsel entfaltet sich aus einer demütigen und zugleich schwelgerischen, nicht aber aus einer herrischen, verordnenden Haltung zur Malerei. Übergeordnete Vorgaben, die das malerische Vorgehen dirigieren, duldet er nicht. Stattdessen lässt er es auf der Suche nach der eigenen Innerlichkeit sich selbst verorten. Seine Malerei ist eine Malerei hin zu sich selbst, zu den inneren Verdichtungen, zu einem organischen Zusammenfügen, zu einem Gespräch mit sich selbst. Darin bleibt sie dennoch eine Malerei der Leichtigkeit. immer wieder begleiten.