Ola Billgren, Mihai Grecu & Thibault Gleize, Thomas Huber, Joseph Marioni, Walter Obholzer and Markus Willeke
27 April – 22 June 2013
Rauchende Törtchen und dunstige Fensterscheiben. Glühende Flächen und unterkühlte Gesten. 5 x Malerei und 1 x Video. Die Gruppenausstellung „BILDFROST (frozenness)“ zeigt in einer Auswahl gegenständlicher und abstrakter Werke, wie kalt und heiß ein Bild sein kann. Eine Schau von emphatischer Innerlichkeit und pointierten Handlungen mit den Künstlern Ola Billgren, Mihai Grecu & Thibault Gleize, Thomas Huber, Joseph Marioni, Walter Obholzer und Markus Willeke, vom 27. April bis 22. Juni 2013 in der Hengesbach Gallery. Ola Billgrens „Für die Nacht II“ (1997) zeigt bläulich dunkle Farben, mit Spuren von Weiß. Das Bild verschließt sich zunächst einem deutenden Eindruck. Vom Zentrum geht eine oszillierende Unruhe aus, welche die Erwartungshaltung auf einen in die Dunkelheit entschwindenden landschaftlichen Raum lenkt. Gleichzeitig offenbart sich, dass das farbliche Gewebe einer malerischen Rasterstruktur entspringt. Ist hier grobpixelige Fotografie in Malerei übersetzt oder imitiert Malerei einen Druck? Ein Verstehen des romantischen Erscheinungsbilds bleibt Wille. Die Arbeit widersteht einem von außen gestellten Anspruch an Verständnis und fordert eine aktive Positionierung des Betrachters. Ein Motiv zwischen figurativer Ansprache und medialer Reflexion. Die für die Arbeit von Mihai Grecu und Thibault Gleize namensgebende „Glucose“ (2012) bezeichnet ein normalerweise im festen Aggregatszustand vorliegendes Kohlenhydrat, das gut in Wasser löslich ist und bei einer Temperatur von 146 Grad anfängt zu schmelzen. Diese materielle Wandelbarkeit findet sich wieder in einem Fisch, der losgelöst von physikalischen Grundgesetzen in der Luft schwimmt, in Pralinen, die sich scheinbar in Gas auflösen und in einem Spiegelei, dass sich in der Nahaufnahme zu einer flimmernden Korona wandelt. Starr wirkende Oberflächen werfen fließende Wellen auf. Für einen weiteren Kontrast sorgen die abstrakten Aufnahmen einer eisigen Wand, vielleicht ein Berg, vielleicht eine Fläche. In „Glucose“ werden Proportionen und Naturgesetzmäßigkeiten zu Gunsten einer eigenen assoziativen Welt aufgelöst. Die Eingriffe sind verstörend, weil sie mit Dichotomien unserer Wahrnehmung brechen. Wo Luft ist, ist kein Wasser und wo kein Wasser ist, schwimmt kein Fisch. Gleichzeitig haben die Interventionen aber auch eine befreiende Wirkung. Im Durchbrechen von Grundkonstanten liegt nicht nur ein zerstörerischer, sondern ebenso ein ironisch kommentierender Charakter: Das Schaffen einer unlogischen Alternative zu bekannten Gegensätzen. Thomas Hubers „Brunnenprobe“ (2004) ist ein Vorbild für beherrschte Malerei: Die Licht-Schattenverhältnisse scheinen sorgfältig austariert, die sich daraus ergebenden Kontraste folgen millimetergenau. Rote Karaffen und die aus ihren Öffnungen laufenden blauen Wasserstrahlen sind angeordnet, als lauere ein Zentimeter weiter links oder rechts ein Platzverweis der Formen. Eingenommen von der Architektur der Arbeit, übersieht man die Abwesenheit eines sinnvollen Gebrauchs. Die Komposition erinnert an den Ritus des Wasserholens. Die Karaffen halten sich vor dem hellblauen Hintergrund im Leeren, schweben im Bild. Das Wasser fließt in Fontänen, sowohl nach unten wie nach oben, jedoch ohne menschliches Zutun und ohne, dass die Karaffen sich füllen. Einerseits möchte man der Akteur dieses Jonglier-Spiels mit seinen sprudelnden Möglichkeiten sein, gleichzeitig stellt sich aber das Bewusstsein ein, dass die Vielfalt der Möglichkeiten nichts anbietet, sodass unsere eigene Unzulänglichkeit an ihnen scheitert. Eine ähnliche Form der Erlebbarkeit findet sich in Joseph Marionis „White Painting“ (2003). Lasurartig aufgetragene Farbschichten legen ihren Aufbau an den seitlichen Rändern und der Bildunterseite offen und regen zu einem objektbezogenen Verständnis der Arbeit an. Als habe sich die Farbe wie ein Mantel auf die Leinwand gelegt, betonen Marionis Bilder die Schulterpartie durch eine größere Breite, den unteren Hüftrand durch einen offenen Saum, und das Rechts und Links durch überlappende Taillierungen. Das feine Gewebe der Leinwand zeichnet sich unter der Farbe ab. Ähnlich einer menschlichen Haut scheint die Leinwand in ihren einzelnen Zellen die Berührungsqualität der Farbe für sich zu empfinden. Der Farbton des Bildes gleicht dabei einem Mantel: Um der Welt begegnen zu können, schützt jener gegen Kälte und Nässe und hält gleichzeitig die innere Wärme. Der Farbton zeigt etwas von der affektiven Stimmung, in der uns die Welt begegnet und mit der wir sie in uns aufnehmen. In Walter Obholzers Arbeit „Rosetten“ (2000) verschlingen sich größere und kleinere Linienverläufe. Sie haben hart konturierte Kanten und sind annähernd gleich breit. Die rote Formation scheint sich in einer verdrehten Spiegelung zu verdoppeln und verdichtet sich zur Mitte hin zu unentwirrbaren Verläufen. Hinter der roten Formation lauert derweil der eigene Schatten. Es scheint kein Bildzentrum, wohl aber ein System zu geben, welches man aber nicht durchschaut. Wollen Formen hier zu Ornamenten werden oder bekämpfen sich Verläufe in einer Art Spiel aus Verdrängung und Berührung? Die Malerei gibt sich selbst nicht zu erkennen. Kein Pinselgestus ist wahrnehmbar. Die Farbe scheint weich, der Träger und die Kontur hart, der Farbton gedämpft, die Stimmung kühl, trotz Rot. Eine Ratte auf einem beschlagenen Fenster. Ihr Gesicht ist das Ergebnis einer flüchtig gemalten Fingerzeichnung: Schnell wurden Augen und Nase auf die Scheibe getupft, Schnurrbarthaare gezogen, ein Lachen angedeutet. Dass der rasante Auftrag solch spontaner Fingerzeichnungen auch im großen malerischen Format überleben kann, ist die erste Überraschung der Bilder von Markus Willeke. Seine in kraftvoll dynamischer Malweise entstandene „Ratte“ (2013) schaut genauso listig von der Leinwand, wie sie es von einer Autoscheibe oder in einem Kinderzimmer täte. Das zwanglose Resultat einer Handbewegung, ist hier nicht nur auf Dauer gestellt, sondern auch ins Monumentale gesteigert. Kennzeichnende Wirkung ist, dass man immer wieder schaut und der Eindruck bleibt, Willekes Bilder seien gerade entstanden, unmittelbar, schnell. Selbst wenn man jeden Tropfen kennt und darauf wartet, dass sich die Feuchtigkeit verzieht und die Ratte verschwindet, behält das Bild seinen Überraschungseffekt. Es bringt Flüchtigkeit zur Anschauung und übersetzt sie malerisch zu einer Beständigkeit des Bildes. Gleichzeitig umkreist die Malerei ihr eigenes Rätsel. Sie beschäftigt sich mit der dreidimensionalen Wirklichkeit im zweidimensionalen Format. Willeke arbeitet mit membranartigen Motiven, die Fragen nach einem Dahinter und Davor aufwerfen. Sind wir beständig oder flüchtig, ist die Fläche eine Grenze oder eine Öffnung zu etwas Anderem? „BILDFROST (frozenness)“ zeigt uns also Dichotomien, die gebrochen werden und Ausblicke, die sich zu Panoramen wenden. Rauchende Törtchen und dunstige Fensterscheiben. Glühende Flächen und unterkühlte Gesten. 5 x Malerei und 1 x Video präsentieren, wie nahe Kalt von Warm entfernt sein kann und wie gehemmt und ungezügelt damit verbundene Wahrnehmungen werden können. Zeitgleich zu dieser Ausstellung zeigt Hengesbach Gallery unter dem Titel „da zwischen“ neue Arbeiten von Dirk Eicken.