DIETER KIESSLING

people in mirror are closer than they appear

16 November – 21 December 2013

Sich porträtieren zu lassen setzt zwei Akteure voraus, den Fotografen und den Porträtierten. Zueinander stehen sie in einem Abhängigkeitsverhältnis, denn während der eine über den richtigen Moment der Aufnahme entscheidet, kann der andere ihn nur erwarten. Gleichzeitig liegt es in der Hand des Porträtierten, mittels verschiedener Posen den Fotografen zu einer Entscheidung zu nötigen. Der Fotograf kann seinerseits in diesem Wechselspiel zu ungewöhnlichen Perspektiven und Bildausschnitten greifen, sich selbst dabei in Bewegungsposen begeben. Die Verstellung in der Pose wird zudem durch den Umstand erleichtert, dass sich zwischen den Porträtierten und dem Porträtierendem der technische Apparat in Form des Kameravolumens, des Stativs und der Beleuchtung schiebt.

Dieter Kiessling bringt dieses ungleiche Verhältnis in seiner 2013 entstandenen Fotoreihe „people in mirror are closer than they appear“ zum Kippen, indem er beide Akteure nebeneinander stellt und in einen Spiegel schauen lässt. Die Bewegungs- und Darstellungsaktivität beider wird dadurch minimiert. Das posenhafte Agieren vor der Kamera auf der einen Seite und das suchende Hantieren und Auslösen der Kamera auf der anderen Seite weicht einem sachlichen Ernst. Die Aufmerksamkeit füreinander im Nebeneinander des Stehens bestimmt jetzt das Verhältnis. Außerdem ist der Porträtierende selbst Teil des Bildgeschehens.

Darüber hinaus wird aus der Zweiersituation der Porträtfotografie eine Dreiecksbeziehung. Denn der Düsseldorfer Medienkünstler wählt die Größe der Porträts so, dass sie die Möglichkeit eines Rollentausches bieten. Dargestellt in etwa 90 Prozent ihrer realen Größe, nimmt der Betrachter die Porträtierten als reales Gegenüber wahr. Er fragt sich unwillkürlich: Wie würde ich auf dem Bild dastehen? So treffen sich Blicke in dieser Anordnung mehrfach, im Spiegel, in der Kamera, in uns. Für den ersten Moment ist dabei nicht klar, dass einzig unser Blick in dieser Konstellation nicht erwidert wird. Wir Betrachter positionieren uns, nehmen vielleicht sogar eine Pose ein, vergleichen die Körperhaltung mit dem Gegenüber: Sind wir entspannt oder angespannt, betont aufmerksam oder betont gefasst? Der Blick des Porträtierten nach außen wird zu einem Blick auf unser Inneres, zu einem Imaginieren des auslösenden Moments mit seinen Entscheidungen hin auf gültige Dauerhaftigkeit.

To be portrayed presupposes two protagonists, the sitter and the photographer. They exist in a dependent relationship since the one decides the proper moment to take the photograph while the other can only wait for it to happen. At the same time, however, the sitter forces the photographer to make a decision by the means of various poses. The photographer may in turn employ unusual perspectives and details of the picture in this interplay as well as move through various poses. The adjustment of the poses is facilitated by the fact that the technical apparatus, in the form of a camera, tripod and lighting, shifts between the photographer and the sitter.

Dieter Kiessling overturns this uneven relationship in his 2013 series of photos “people in mirror are closer than they appear” in which he juxtaposes the two protagonists, allowing them a glance in the mirror. Thereby the movement and representational activities are minimized. The pose-like behavior in front of the camera on the one side and the searching, handling and manipulation of the camera on the other side, both give way to an objective seriousness. Paying attention to one another determines the relationship now in this juxtaposition of standing. The photographer is also part of the depicted matter.

Moreover, a triangular relationship emerges from this duo. By the choice of the size of the portraits, the media artist from Dusseldorf makes a role reversal possible. Depicted in approximately 90 percent of their real size, the viewer perceives the sitters as a real counterpart. One is unable to help but wonder: how would I stand in the picture? In this way, eyes meet many times over in this arrangement, in the mirror, in the camera, in us. At first it is unclear that the only gaze not reciprocated in this constellation is ours. As viewers, we position ourselves, perhaps even strike a pose, to compare body postures with the one opposite: are we relaxed or tense, emphatically attentive or emphatically composed? The outward gaze of the portrayed becomes a view into our inner selves, an imagining of the triggering moment with its decisions towards a valid permanence.

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